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Grossrätin Melanie Beutler zur Pflegeinitiative

Noch gar nicht so lange ist der Applaus für das Pfle­ge­per­so­nal auf den Bal­ko­nen ver­hallt. Und schon stim­men wir über die Pfle­ge­initia­tive ab. So...

 So schnell mah­len die poli­ti­schen Müh­len aller­dings nicht. Die Initia­tive ist näm­lich kein Schnell­schuss oder gar eine Trotz­re­ak­tion. Nein, sie wurde 2017 auf­grund der schon damals pre­kä­ren Aus­sich­ten lan­ciert.

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Was lange währt, soll also end­lich gut wer­den!

Die Pfle­ge­initia­tive wurde dem­nach nicht als Reak­tion auf die aus­ser­or­dent­li­che Covid-19-Krise lan­ciert: Der Pfle­ge­not­stand zeich­net sich viel­mehr schon lange ab. Wird die Initia­tive abge­lehnt, tritt der Gegen­vor­schlag des Par­la­ments in Kraft. Die­ser nimmt jedoch nur zwei der vier Anlie­gen der Initia­tive auf. An der chro­ni­schen Über­las­tung der heute täti­gen Pfle­gen­den, ihren schwie­ri­gen Arbeits­be­din­gun­gen und den zahl­rei­chen Berufs­aus­stie­gen würde er gar nichts ändern.

Wich­tige Gründe für den Per­so­nal­man­gel

1. Der wach­sende Pfle­ge­be­darf: Dank bes­se­rer Lebens­be­din­gun­gen und Fort­schrit­ten in der Medi­zin steigt unsere Lebens­er­war­tung. Die Zahl der über 65-Jährigen wächst in den nächs­ten 30 Jah­ren nach Berech­nun­gen des Bun­des­am­tes für Sta­tis­tik auf 2,7 Mil­lio­nen (2014: 1,54 Mil­lio­nen) und mit ihr die Anzahl pfle­ge­be­dürf­ti­ger Men­schen und Per­so­nen, die chro­nisch oder mehr­fach erkrankt sind.

2. Der Fach­kräf­te­man­gel: Bis 2030 benö­tigt die Schweiz zusätz­lich 65‘000 qua­li­fi­zierte Pfle­gende. Seit 2014 hat sie jedoch nur 56 Pro­zent des jähr­li­chen Pfle­ge­be­darfs aus­ge­bil­det, bei den diplo­mier­ten Pfle­ge­fach­per­so­nen gar nur 43 Pro­zent. Ohne aus­län­di­sche Pfle­ge­kräfte wäre das schwei­ze­ri­sche Gesund­heits­sys­tem längst nicht mehr funk­ti­ons­fä­hig.

3. Die geringe Ver­weil­dauer im Beruf: 40(!) Pro­zent der Pfle­ge­fach­kräfte ver­las­sen ihren Beruf früh­zei­tig; ein Drit­tel davon ist jün­ger als 35 Jahre. Mitte 2020 waren 7‘900 Stel­len im Pfle­ge­we­sen als vakant aus­ge­schrie­ben. Zu wenige müs­sen zu viele Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten pfle­gen und ver­su­chen, die Vakan­zen durch Über­zeit zu kom­pen­sie­ren. Oder sie müs­sen wich­tige Tätig­kei­ten wie Aus- und Über­tritts­vor­be­rei­tun­gen und Gesprä­che weg­las­sen.

Das sind die For­de­run­gen

Diese Volks­in­itia­tive «Für eine starke Pflege» stellt des­halb fol­gende Kern­for­de­run­gen:

1. Eine Aus­bil­dungs­of­fen­sive: Die Aus- und Wei­ter­bil­dung in der Pflege muss finan­zi­ell unter­stützt wer­den. Es braucht zudem höhere Aus­bil­dungs­löhne sowie attrak­tive Anschluss­mög­lich­kei­ten.

2. Genü­gend Pfle­gende auf allen Abtei­lun­gen garan­tie­ren, um die Pfle­ge­qua­li­tät zu sichern: Eine Pfle­ge­fach­per­son soll nur für eine maxi­male Anzahl von Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zustän­dig sein. Es geht darum, Pfle­ge­qua­li­tät, Pati­en­ten­si­cher­heit, eine höhere Arbeits­zu­frie­den­heit und damit eine län­gere Ver­weil­dauer im Beruf zu gewähr­leis­ten.

3. Arbeits­be­din­gun­gen ver­bes­sern, um Berufs­aus­stiege zu ver­hin­dern: Es braucht eine ver­läss­li­che Zeit- und Dienst­pla­nung, fami­li­en­freund­li­che Struk­tu­ren, eine ent­spre­chende Orga­ni­sa­tion und beruf­li­che Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten sowie eine leis­tungs­ge­rechte Ent­löh­nung, die den hohen Anfor­de­run­gen und der gros­sen Belas­tung ent­spricht.

4. Typisch pfle­ge­ri­sche Leis­tun­gen sol­len künf­tig eigen­ver­ant­wort­lich, ohne admi­nis­tra­ti­ven Leer­lauf und ärzt­li­che Unter­schrift abge­rech­net wer­den dür­fen.

Gegen­vor­schlag greift viel zu kurz!

Der Gegen­vor­schlag des Par­la­ments greift mit einer auf acht Jahre begrenz­ten Aus­bil­dungs­of­fen­sive sowie der eigen­stän­di­gen Leis­tungs­ab­rech­nung ledig­lich zwei Anlie­gen der Initia­tive auf. Wie oben gesagt, ändert er lei­der gar nichts an der chro­ni­schen Über­las­tung des Pfle­ge­per­so­nals, an sei­nen schwie­ri­gen Arbeits­be­din­gun­gen und den vie­len früh­zei­ti­gen Berufs­aus­stie­gen. Er beinhal­tet keine Mass­nah­men, um die Arbeits­be­din­gun­gen der Pfle­gen­den zu ver­bes­sern, die heute im Beruf tätig sind. Ebenso feh­len Mass­nah­men, um sie nach der Aus­bil­dung mög­lichst lange im Beruf zu hal­ten und um die Pfle­ge­qua­li­tät nach­hal­tig und lang­fris­tig zu sichern. Hinzu kommt, dass die Ver­bes­se­run­gen der Initia­tive erst noch schnel­ler in Kraft tre­ten wür­den als der Gegen­vor­schlag des Par­la­ments: Die Über­gangs­be­stim­mun­gen der Initia­tive schrei­ben dies so fest. Damit wür­den die drin­gend nöti­gen Mass­nah­men gegen den Pfle­ge­not­stand ent­spre­chend rascher grei­fen. Darum braucht es ein Ja zur Pfle­ge­initia­tive! – Das fan­den auch die Dele­gier­ten der EVP Schweiz und fass­ten ein­stim­mig die Ja-Parole.

Mela­nie Beutler-Hohenberger, EVP Thun, Gross­rä­tin Kan­ton Bern